Dinner for One

Short Break Thriller

Kerzen tauchten die für zwei Personen festlich gedeckte Tafel in weiches Licht. Im Hintergrund besang Frank Sinatra leise den Moon River. Hans verspürte Stolz. Stolz auf seine Fähigkeit, geduldig zu sein. Warten steigerte seine Lust ins Unendliche und war das Highlight des Dates. Ja, er konnte warten. Nur zu lange durfte es auch nicht dauern. Er schaute auf seine Armbanduhr, als es im Schloss klickte. Es war soweit! Ein Beben durchlief ihn, ein wohliger Schauer, der zwischen seinen Schulterblättern begann und in seinen Lenden verebbte – ein Bonsai-Orgasmus der Vorfreude auf das Dinner.

Greta betrat ihre Wohnung und noch bevor ihr Verstand die Gefahr begriff, reagierte ihr Körper. Eine frostige Ahnung strich über ihre Wangen und die Härchen stellten sich auf, als wäre die Luft elektrisch geladen. Wie winzige Soldaten standen sie stramm und zogen die Haut in Zipfel. Dieser archaische Reflex, der einst eine furchteinflößende Erscheinung vorgaukeln sollte, beeindruckte ihren Angreifer nicht. Was folgte, stellte alles bisher je Erlebte in den Schatten: Schmerz! Blitzartiges Begreifen … das Ende.

Hans lachte. Sie war so lächerlich in ihrer Einfalt. Er hatte Greta ohne Zögern brutal das Leben genommen. Die eisige Kälte, die sie im Sterben erfuhr, war seine eigene. Wie ein gigantisches Gletschertor verströmte er sie noch, als er sie mit Kabelbindern und meterweise Panzerband auf dem Stuhl vor dem gedeckten Tisch fixierte. Mit ihrem letzten Atemhauch sprühte sie winzige Bluttröpfchen auf das edelweiße Tafeltuch. Hans holte aus der Küche das vorbereitete Dinner. Es war eine Ewigkeit her, dass er so vorzüglich gegessen hatte und das, in derart angenehmer Gesellschaft. Nachdem er alles, mit Ausnahme von Greta, die sitzen blieb, gespült, aufgeräumt und in klinischer Reinlichkeit hinterlassen hatte, war er ein wenig traurig über das Ende des wundervollen Abends.

Dieses Dinner schrie förmlich nach Wiederholung, dachte er und schloss die Tür hinter sich.


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