Teatime im Jenseits

Halloween Short-Thriller

Der letzte Oktobermorgen hatte sich wie ein Jäger angepirscht, bevor er blutrote Sonnenspeere über den Horizont schoss. Der Himmel war wolkenlos und hatte gen Osten die Farbe reifer Aprikosen.

Juliane befüllte in der Küche eine Thermosflasche mit frisch gebrühtem Filterkaffee – ohne Milch, ohne Zucker – und verschloss sie fest. Zusammen mit der Frischhaltebox, in der sich ein paar Käsesandwiches stapelten, verstaute sie sie als letztes in ihrem zum Bersten vollen Rucksack. Der Tag würde kalt werden, aber dafür trocken bleiben, versprach die Wetter-App, die Juliane zum gefühlt hundertsten Male auf ihrem Handy aufrief. Ehe sie ihre Wanderstiefel anzog, eilte sie noch einmal ins Schlafzimmer, um sich von Carsten zu verabschieden. Ihr Lebensgefährte grunzte leise, als er aus seinem Dämmerschlaf erwachte.

„Na, Schatz, wie geht´s dir?“

„Wird schon, Juli“, sagte er leise, „mach dir keinen Kopf und genieß die eineinhalb Tage. Ich habe alles was ich brauche, und wenn du morgen zurück bist, bin ich wieder fit. Wirst sehen.“

„Melde dich aber, wenn du mich früher brauchst, oder ruf, falls es schlimmer wird oder du Fieber bekommst, einen Arzt. Versprich es mir!“

„Ist doch nur ´n bisschen Darmschnupfen.“ Carsten rang sich ein Lächeln ab. „Blöd, ausgerechnet heute, aber es wäre schade, wenn du deshalb auch zuhause bliebest. Habt Spaß, macht schöne Fotos und erzählt mir dann eure Gruselgeschichten am Wochenende.“ Er drehte den Kopf zur Seite, als Juliane ihm einen Kuss geben wollte. „Lieber nicht – ist sicherer, falls ich doch Maul- und Klauenseuche habe.“

„Du hast einen sehr schrägen Humor“, tadelte sie. „Ich mache mich jetzt fertig und warte dann draußen auf die anderen. Hab dich lieb.“

Juliane musste nicht lange warten. Das Wohnmobil von Caro und Lukas hielt kaum richtig an, um sie flink wie ein Vogel samt Rucksack vom Gehweg aufzupicken. Caro saß am Lenkrad, Lukas, ihr Mann, thronte auf dem Beifahrersitz. Juliane setzte sich hinter die beiden neben Piet, der sie freudig anstrahlte. 

„Hi, Juli, was macht der Patient?“, fragte Lukas. „Meinst du, er kommt alleine klar?“

Juliane nickte zögerlich. „Och ja. Ist sicherlich nichts Dramatisches, auf jeden Fall aber äußerst schlechtes Timing. Dabei hatte er sich so auf unseren diesjährigen Halloween-Ausflug gefreut!“

„Echt schade! Es kommt ohnehin selten genug vor, dass wir alle fünf mal gemeinsam etwas unternehmen können“, sagte Caro. „Entweder sind wir zwei Mädels zusammen oder Piet, Lukas und Carsten mit ihren Geocacher-Events*. Allerdings ist Carsten dann auch nur selten dabei.“

Piet zog die Augenbrauen hoch und wackelte geziert mit dem Kopf. „Er ist eben mit zweiundvierzig ein paar Jährchen älter als wir ‚Kleinen‘. Ganz der kultivierte Banker, der sich nur ungern mit uns Landeiern auf eine kindische Schatzsuche begibt.“  

Juliane verteidigte ihren Lebensgefährten. „Da tust du ihm Unrecht. Ja, eure kleineren Touren reizen ihn weniger, er ist kein Fan ausgiebiger Wanderungen, nur um seinen Namen in ein verstecktes Logbüchlein zu kritzeln. Aber unsere gemeinsamen Ausflüge, so wie den heutigen, liebt er, und er hat sie gerne mit euch zusammen geplant.“ 

Die vier Freunde verfielen in Schweigen und hingen eigenen Gedanken nach. Juliane und Piet schauten aus den Fenstern auf eine Landschaft, die Maler Herbst kurz vor dem monochromen Winter noch schnell in bunten Tönen renovierte. 

Carsten hatte es nicht leicht gehabt, sich in das kleine Beziehungsgeflecht der anderen zu integrieren. Das lag weniger an ihm oder seinem Alter als vielmehr daran, dass sich Caro, Juliane, Piet und seine Freundin Tina, die später so tragisch ums Leben kam, sich schon seit ihrer Schulzeit kannten. Caro hatte zwar später Lukas geheiratet, aber er kam immerhin aus dem gleichen Kaff wie die anderen. Aber Carsten … er kam aus Kassel. Beileibe keine Weltstadt, aber er war städtisch genug, um auf die anderen manchmal arrogant zu wirken. Juliane hatte ihn während eines Schnorchelkurses in Hurghada kennen und lieben gelernt. Und Carsten gab sich viel Mühe, Julianes Freunde auch zu seinen zu machen. Er schloss sich, obwohl einhundert Prozent reine Natur in ängstigten, oft Piet und Lukas an, die ihrem Hobby Geocaching fast ihre gesamte Freizeit opferten.

„Welchen Namen hat denn der Nachtcache, den ihr für uns in diesem Jahr ausgesucht habt? Ich weiß nur, es geht in den Harz. Begehen wir Halloween etwa auf dem Blocksberg?“ Caro ahmte ein Hexenlachen nach oder zumindest etwas, was sie dafür hielt. 

„Walpurgisnacht mit Hexentanz ist Ende April, Süße“, klärte Piet sie auf. „Also werden wir den Brocken nur von Weitem sehen. Der zweiteilige Cache, also ein Multi, trägt den Namen „Teatime beim irren Arzt“ und die ersten Koordinaten führen uns ins Elend, genauer gesagt zum ‚Talwächter‘ im Elendstal.“

„Ist nicht dein Ernst!“ Caro schüttelte sich demonstrativ. „Das klingt ziemlich schaurig.“ Auch auf Julianes Gesicht legte sich ein Schatten.

Lukas und Piet lachten selbstgefällig über die Reaktion auf ihre ersten Infos. Piet räusperte sich, bevor er die dazugehörige Legende von der Geocaching-Website vorlas: 

1880 wurde ein Herrenhaus einem Seelenarzt, dem Sohn einer alteingesessenen, wohlhabenden Familie, überlassen, der es für seine Zwecke umbauen ließ. Aufgrund seiner obskuren Forschungen und ungewöhnlichen Behandlungsmethoden war er in den öffentlichen Anstalten in Verruf geraten, und die Familie hoffte, dass so das Gerede aufhören würde. 

Zehn Gäste konnte die Privatklinik beherbergen und der Doktor legte besonderen Wert darauf, dass sie bestenfalls überhaupt keine Angehörigen hatten oder sie selbst aus zerrütteten Familien kamen, denen ihr Schicksal egal war. Das Haus war stets voll belegt, denn der Aufenthalt und die Behandlungen waren kostenfrei. Das Personal war handverlesen und verschwiegen bis ins Grab. Deshalb blieb den Leuten aus dem Ort lange Zeit verborgen, dass die Todesfälle in dem Haus ein normales Maß überstiegen. Ein hauseigener Friedhof wurde angelegt, aber angeblich nicht geweiht. Niemand wurde zur Begleichung der Bestattungskosten herangezogen, niemand fragte, niemand erfuhr etwas. Man flüsterte, die Einzelgräber würden mehrfach belegt, doch der Schutz der Totenruhe verbot es, sich Gewissheit zu verschaffen. 

Dann, eines Tages im Herbst 1883 keimte das Gerücht auf, der Doktor sei an der Schwindsucht verstorben, es soll auch gebrannt haben und seine Familie habe ihn und die Opfer des Brandes in aller Eile auf dem Totenacker bestattet, um dem Geraune endlich Einhalt zu gebieten. Doch es hörte nicht auf. Es war die Rede von Horror-Operationen an den Gehirnen und Herzen der Patienten. Manche hätten eine kriminelle Vergangenheit, eine verdorbene Seele gehabt. Der Doktor habe wie von Sinnen nach dem Sitz der Seele des Menschen gesucht und nach einem organischen Ursprung von Gut und Böse. 

Fünf Jahre nach diesem Ereignis erkrankte einer der ehemaligen Dienstboten des Doktors auf den Tod und erleichterte sein Gewissen auf dem Sterbebett. Demnach stimmte fast alles, was die Flüsterer schon längst weitergegeben hatten. Bis auf ein wesentliches Detail. 

In der Nacht auf Allerheiligen soll einer der Gäste durchgedreht sein. Er drang mit einer Axt gewaltsam in die Privatgemächer des Doktors vor und erschlug den Schlafenden. Danach warf er eine brennende Fackel in das Bett des heimtückisch Ermordeten und rannte anschließend hinaus in die Nacht. Ein Übergreifen des Feuers auf das gesamte Gebäude konnte durch das Personal verhindert werden. Am nächsten Tag hatte man den leblosen Körper des Attentäters in der Nähe des Gleisbetts der Harzquerbahn entdeckt. Er hatte sich selbst gerichtet. 

Die Familie ließ noch das private Mobiliar und den Besitz des Doktors abholen, aber dann stand das Herrenhaus leer. Niemand kümmerte sich um das Gebäude oder den Friedhof, und während des Jahrzehnte andauernden Gezänks um die Verantwortlichkeit verrottet und modert der Schandfleck bis auf den heutigen Tag. Fenster und Türen sind mit Brettern vernagelt und der Zutritt zu dem Privatbesitz ist offiziell verboten. Nur unerschrockene Geisterjäger interessieren sich noch für das Gelände, besonders forciert durch aktuelle Berichte im Internet über die vermeintliche Geistmanifestation eines strahlend weißen Mannes, der in der Nacht zu Allerheiligen über den Friedhof wandert und sich, in Selbstgespräche versunken, auf ein Grab setzt, um Tee zu trinken. Unter Geocachern ist der Ort ebenfalls sehr beliebt, verspricht er doch den Schatzsuchern den wohlig-schaurigen Kick, wenn sie dem irren Geisterarzt seine Teedose entwenden sollen, in dem das begehrte Logbuch liegt.“

Juliane fasste zusammen: „Wir suchen also im Elendstal ein Horrorhaus mit einer Teedose? Ist der Ortsname Programm?“

„Diesmal weiß ich auch nicht mehr“, sagte Piet und klang säuerlich, „denn Lukas und Carsten haben dieses Jahr das Ziel alleine ausgewählt. Die Geländeschwierigkeit ist mit drei von fünf Sternen ausgezeichnet. Und ein bisschen raten und suchen werden wir außerdem müssen.“ 

„Ich gebe zu, ich bin schon ziemlich aufgeregt! Wie weit ist es denn noch?“ Juliane begann allmählich, sich auf ein Abenteuer einzulassen.

Caro brachte den Camper vor einer Kreuzung zum Stehen und studierte die Ortsnamen. „Aber es bleibt doch dabei: Vorher wollen wir noch die ‚Einhornhöhle‘ bei Herzberg besichtigen? Sonst sind wir viel zu früh dran, weil der Final, wie ich es verstanden habe, nur bei Dunkelheit zu finden ist.“ 

„Deswegen heißt er Nachtcache, Schlaubi-Schlumpf“, foppte Lukas seine Frau.

Eine halbe Stunde später suchten die Freunde in der Umgebung von Bad Lauterberg einen hübschen Parkplatz für das Wohnmobil und stärkten sich mit den mitgebrachten Snacks, bevor sie zur Höhle weiterfuhren. Nach einer einstündigen Besichtigung waren sie erleichtert, wieder über der Erde zu sein, und fühlten sich thematisch auf die anstehende Schatzsuche eingestimmt. Wie zahlreiche andere Harzer Höhlen war auch die ‚Einhornhöhle‘ Filmset für düstere Szenen gewesen. „Dark“, eine Netflix-Produktion oder die Neuverfilmung von „Tom Sawyer“ wurden hier zum Teil gedreht. Am Folgetag hatten sie zwei weitere Höhlenbesichtigungen eingeplant. Aber jetzt wurde es Zeit, den Cache in Angriff zu nehmen. Und als Caro und Lukas sich als Fahrer ablösten, flutete wachsende Erregung ihre Adern. Eine Art Goldgräberstimmung ergriff Besitz von ihnen und packte sogar Juliane und Caro, die sonst nur selten das Hobby der Männer teilten und mit ihnen unterwegs waren.

🎃🎃🎃

Nächster Halt war ein Parkplatz am Naturschutzgebiet Elendstal. Ab hier ging es zu Fuß weiter. Die Geo-Koordinaten des ersten Caches führten sie zum ‚Talwächter‘, einer uralten, über vierzig Meter hohen Fichte nordwestlich vom Ort Elend.

Auf dem Weg sprachen sie wenig, inhalierten den herbstlichen Waldduft und ließen sich von der urtümlichen Natur tragen. Am Ziel schwärmten sie aus und suchten am Stamm und an den Wurzeln des Baumveterans nach dem ersten Schatz und seinem Hinweis. Piet als alter Hase, entdeckte ihn und hielt triumphierend ein flaches Stück Holz in der Hand, das hinter einer Infotafel am Stamm klemmte. Juliane ärgerte sich, denn dort hatte sie ebenfalls gesucht, aber ohne Erfolg. Vorsichtig drehte Piet den Deckel um ein Nagelscharnier und fand in dem ausgehöhlten Holz etliche schwarze Krümel und darauf ein visitenkartengroßes, eingeschweißtes Stück Karton mit folgendem Hinweis:

N51°74.5103‘/E10°68.1919‘

TBGG YVROG JREZHG. 

„Häh?“ Kürzer hätte Juliane es nicht zusammenfassen können.

„Das ist alles?“, sagte Caro. „Was sind das für ulkige Krümel, sieht aus wie Tabak oder ein Gewürz oder ist das nur Harzdreck? Sie schnupperte vorsichtig. Und wie kriegen wir raus, was die Buchstaben bedeuten?“

Piet grinste und sah aus wie ein Schuljunge, der einen Streich ausheckt. „Fragen über Fragen! Nun, in der ersten Zeile stehen natürlich die neuen Koordinaten, die wir ansteuern müssen, und die Zeile darunter, ja, die müssen wir erst dechiffrieren. Juli, mach mal ein Foto davon und dann verstecken wir den Cache wieder hinter dem Schild. Auf dem Rückweg können wir dann schon mal knobeln.“

Sie waren schneller wieder am Fahrzeug, als sich mögliche Lösungen des Rätsels einstellten. Sie setzten sich an den kleinen Tisch im Wohnmobil, holten Kaffee und Getränke aus ihren Rucksäcken und machten allerlei Vorschläge. 

„Bäh, mein Kaffee ist nur noch lauwarm.“ Caro verzog das Gesicht. Ich mach mir einen frischen Earl Grey. Noch jemand?“ Sie erhielt keine Antwort und brühte deshalb nur einen Becher für sich auf. Sie zog den Teebeutel durch das heiße Wasser, tunkte ihn immer wieder ein und sagte: “Tee.“

„Danke, für mich nicht“, sagten Lukas und Caro fast gleichzeitig und Piet schüttelte nur den Kopf.

„Tee,“ wiederholte Caro lauter, „die Krümel in der Holzschachtel! Das war Tee, kein Tabak. Glaub‘ ich jedenfalls.“

Piet staunte. „Klasse, Watson, aber wie hilft uns das weiter?“

„Ich bin zwar Laie, aber benötigt man zum Dechiffrieren nicht immer irgendein spezielles Buch oder eine Formel oder wie man das nennt?“, schlug Caro vor.

„Wir probieren zunächst das Naheliegenste, nämlich ROT13, eine einfache Caesar-Verschlüsselung, bei der das Alphabet einfach um 13 Stellen rotiert.“ Lukas holte aus einem der Unterschrankschübe einen Blankoblock und einen Stift und schrieb in einer Reihe die ersten dreizehn Buchstaben des Alphabets mit etwas Abstand voneinander. Genau darunter schrieb er, jetzt von rechts nach links die restlichen Buchstaben. „Probieren wir das mal.“ Im nächsten Schritt tauschte er einfach die übereinander stehenden Buchstaben aus. Auf dem Zettel stand jetzt: GOTT LIEBT WERMUT.

Draußen begann die Dämmerung allmählich die Bäume des Waldes zu verschlingen und zarte Dunstschwaden stiegen vom Boden auf. Lukas schlug vor, zunächst den neuen Koordinaten zu folgen, solange es noch hell genug war, die Gegend zu erkennen. Wie sehr man sich mit der äußerlichen Stimmung verändert, dachte Juliane, als sie eine unangenehme Anspannung an sich wahrnahm. War das Furcht oder neugierige Erwartung auf etwas Unbekanntes? Vielleicht half etwas Zucker. Sie holte zwei Energieriegel aus ihrem Rucksack und hielt Caro einen hin. Sie hatte extra einen mit Erdnüssen für sie mitgenommen, da ihre Freundin diese Sorte liebte. Sie selbst bevorzugte Trockenfrüchte. Caro bedankte sich, steckte ihn aber vorerst ungeöffnet in ihre Jackentasche, während Juliane genüsslich kaute. Die Körpersprache beider Männer verriet adrenalingeladene Aufregung. Piet hatte runde, rosa Puppenbäckchen und Fahrer Lukas konzentrierte sich auf die schmale Landstraße in Richtung Elend, denn zur fortschreitenden Dämmerung gesellte sich immer mehr Nebel.

„Ihr könnt schon mal eure Taschen- und UV-Lampen klar machen, es ist nicht mehr weit“, riet er seinen Freunden. Das Womo hoppelte über das Bahngleis eines einfachen Übergangs. Lukas reduzierte das Tempo und bog dann in eine geschotterte Parkbucht ein. Piet sprang hinaus, peilte mit dem Navigationsgerät die Koordinaten und sagte: „Ich denke, wir sind da. Das da drüben sieht doch aus wie ein Herrenhaus, oder was meint ihr?“

Lukas stellte den Motor ab. Alle hüllten sich in ihre warmen Jacken, setzten Caps oder Mützen auf und schulterten ihre Daypacks. Ja, der Winter war zumindest hier im Harz nicht mehr fern. Einen Augenblick lang standen sie wie verloren neben dem Fahrzeug. Lukas zog Caro in seinen Arm. Diese instinktive Geste des Beschützens versetzte Juliane einen scharfen Stich. 

Piet drängte zum Aufbruch. „Los, Leute, lasst es uns angehen. Ich bin echt so gespannt!“

„Was ist denn mit dem Rätsel?“, wollte Caro wissen. „Was bedeutet denn nun ‚Gott liebt Wermut‘?“

Piet meinte: „Da Gott kein Tippelbruder ist, ist es vielleicht nur ein verwirrender Scherz und soll uns nur beschäftigen.“ 

„Es könnte auch als ‚Gott liebt, wer Mut‘ interpretiert werden, also Gott liebt diejenigen, die mutig sind, und ist ein Hinweis auf eine Art Mutprobe“, riet Lukas zum Schein, denn natürlich kannte er als Mitplaner die Lösung. Er verstand seine Rolle bei diesem Ausflug mehr als Berater oder Motivationscoach. Richtig helfen würde er nur in Ausnahmefällen. Wo bliebe sonst der Spaß?

Juliane glaubte das nicht: „Womöglich soll man aber auch um die Ecke denken. Ist Wermut nicht ein Krautgewächs? Vielleicht wächst es an einer bestimmten Stelle auf dem Friedhof.“

Lukas zeigte sich begeistert: „Find ich ’nen wirklich guten Ansatz!“ Juliane freute sich über seine Anerkennung.

„Und wie sieht Wermutkraut aus?“, fragte Piet, „oder muss man das Zeug erschnüffeln?

Lukas beendete die Raterei. „Ich schlage vor, wir sondieren fürs Erste vorsichtig das Gelände mit dem Ziel, besagten Totenacker zu finden. Das Haus ist ohnehin verrammelt und im Dunkeln zu gefährlich für uns. Bis dahin bleiben wir zusammen, dann teilen wir uns in zwei Pärchen auf und suchen nach Spuren. Okay?“

Die Freunde einigten sich darauf und betraten das Grundstück durch einen breiten Durchgang, der nur durch einen Schlagbaum gesichert war, an dem das übliche gelbe Hinweisschild auf verbotenen Zutritt des Privatbesitzes hing. Der Hauptweg war mit feinem Splitt bedeckt, der unter den groben Sohlen ihrer Wanderschuhe knirschte. Alle richteten das Licht der Taschenlampen, die von Piet und Lukas waren die reinsten Scheinwerfer und bestimmt teuer im Zubehörshop für Geocacher erstanden, auf den unmittelbaren Bereich vor ihren Füßen. Nebelschwaden trübten zunehmend die Fernsicht. Sie alle fühlten sich wie in einem klassischen Horrorfilm, in dem sogar der Käuzchenschrei nicht fehlte. Sie lachten über die passende Soundkulisse. Doch je näher sie dem alten Haus kamen, desto beklommener fühlten sie sich. 

Piet sprang die Stufen zum Eingangsportal hoch, das mit Spanplatten gegen Vandalismus und unbefugten Zutritt gesichert war. „Zu gerne würde ich da mal einen Blick reinwerfen“, sagte er und in seiner Stimme schwang Enttäuschung mit. „Was der irre Doktor da wohl seinen Patienten angetan hat?“ 

Caro drückte sich eng an ihren Mann. „Ehrlich gesagt, will ich das überhaupt nicht wissen. Meine Fantasie jagt mir so schon reichlich buckelige Schauer über den Rücken.“

Sie umrundeten das rechteckige Gebäude und gelangten in den hinteren Teil des länglichen Grundstücks, das vermutlich am Haus einst eine gepflegte Park- und Gartenanlage präsentiert hatte, wohingegen der hintere Teil bis zu einer Waldgrenze der Friedhof sein musste. Tatsächlich wurde das Grundstück durch eine verwilderte und über mannshohe Hecke zweigeteilt. Vom ehemaligen Garten war außer alten, inzwischen kahl werdenden Bäumen nichts mehr erkennbar. Alles war zugewuchert mit Ranken, Unkraut und verholzten Sträuchern. Die Natur hatte sich ungeachtet menschlicher Pläne alles zurückgeholt. Der Weg, hier mit einer dicken Schicht feuchten Laubs bedeckt, teilte sich, als wollte er die Gräber in seine Arme zu schließen. Der eigentliche Friedhof sah im Vergleich zum vorderen Garten aus, als hätte man sich um ihn gekümmert. Die durchgehende Grasfläche war kurz und man konnte zwischen den Nebelfetzen flache Steinplatten erkennen, die auf die jeweiligen Grabstellen hinwiesen. Dazwischen wuchsen in unregelmäßiger Verteilung Koniferen.

„Ja, sieh mal einer an!“ Piet pfiff durch die Zähne. Im Schein seiner Lampe blinkten kleine Punkte an den Wegrändern auf.

Lukas bückte sich. „Feuernadeln!“ Er sah in das fragende Gesicht von Juliane. „Das sind kleine Reflektornadel, gibts mit Tetraeder-Köpfchen oder in Würfelform, um leuchtende Hinweise für Geocacher zu hinterlassen. Sie reflektieren das Licht der Taschenlampen speziell für Nachtcaches.“

„Hier sollten wir uns trennen“, schlug Piet vor. „Ihr, Caro und Lukas nehmt den rechten Weg, Juli und ich den linken. Hinten angekommen, treffen wir uns automatisch wieder. Wer den Final-Cache zuerst findet, ruft oder pfeift einfach.“

Was für eine schaurige Aufgabe hatten sich Lukas und Carsten da für sie ausgesucht! Ein belebterer Ort wäre Juliane lieber gewesen. Ihr war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, allein mit Piet diesen dunkelsten Bereich des Geländes zu erkunden. Mit Lukas wäre sie gerne gegangen. Nicht nur heute und hier, sondern … für immer und überall hin! Noch musste sie sich bedeckt halten. Nur er wusste von ihrer gemeinsamen, außergewöhnlich starken Verbindung füreinander und sie würde für ihn da sein, wenn er sich für sie entschied. Wäre Caro erst aus dem Weg, würde er bald über sie hinweg sein. Vorausgesetzt, die blöde Kuh aß endlich den Energieriegel, den sie ihr gegeben hatte! Eine individuell angefertigte Kreation aus ihrem Labor. Dass sie von ihrem Job als Lebensmittelchemikerin auch mal privat profitieren würde … 

„Träumst du? Komm schon, wir werden den Schatz vor ihnen finden“, ermunterte Piet sie und zog sie mit sich. Caro, Juliane, Tina und Piet waren seit Kindertagen dicke Freunde – Tina wurde Piets große Liebe. Bis zu dem Tag, an dem Tina durch einen Unfall grausam aus ihrem Kreis gerissen wurde. Dem vierblättrigen Kleeblatt fehlte fortan ein Blatt und Piet litt bis heute unter dem Verlust und dem Gefühl, jetzt Single und das fünfte Rad am Wagen zu sein. Denn Caro heiratete Lukas, einen selbstständigen Caravan- und Camper-Händler, der immerhin aus dem gleichen Kaff stammte wie die anderen. Juliane lernte Carsten beim Schnorcheln in Hurghada kennen und trotz ihres Altersunterschiedes anfänglich auch lieben. Doch schnell zogen Wolken über das Paradies. Juliane sehnte sich nach Familienidylle auf dem Land, Carsten hingegen nach beruflichem Aufstieg, nach kultivierter Geselligkeit und harmonischer Zweisamkeit. Mit einer Vaterrolle konnte er das nicht in Einklang bringen, aber er versprach stets, daran zu arbeiten. Seine neuesten Pläne, mit Juliane in die Stadt zu ziehen, verletzten sie, und so passierte es im Anschluss an eine ausgeuferte Party: Sie verguckte sich in Lukas und verführte ihn zu einem One-Night-Stand in dem Hotel, in dem sie gefeiert hatten. Kaum wieder richtig nüchtern, bereute Lukas den Fehltritt bitter, er wollte keinesfalls ohne Caro leben. Aber jetzt wollte Juliane ihn auch. Unbedingt! Mit ihm wollte sie ihren Familientraum endlich leben. Er weiß noch nicht, wie sehr er es will.

Piet legte seinen Arm um Juliane. „Hey, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Keinen Ehrgeiz mehr?“ Juliane riss sich zusammen. Sie hatte tatsächlich geträumt. „Alles gut“, sagte sie, „lass uns endlich den Cache bergen.“ Sie leuchtete die Feuernadelspur entlang, während Piet mit einer speziellen UV-Lampe auf andere Hinweise achtete. Beide waren fast am Ende der unregelmäßigen Gräberreihen, näherten sich schon der Abbiegung auf den Verbindungsweg, als Piets UV-Licht auf einen hellen Schemen am nahen Waldrand fiel. Jemand stand dort. Eine große Gestalt mit einem Hut, schlank und leicht vornübergebeugt. Sie blickte in ihre Richtung, drehte sich langsam weg und tauchte in das undurchdringliche Schwarz des Waldes ein. Piet und Juliane hatten ihren Schrecken noch nicht verdaut, als sie den Schrei vernahmen. Er war dem des Käuzchens nicht unähnlich, aber voller menschlicher Verzweiflung, voller Schmerz. Caro! So schnell wie der schmale Lichtkegel es zuließ, rannten Piet und Juliane los und bogen in den anderen Weg ein, wo sie das Pärchen schon von Weitem erkennen konnten.

Am Fuß einer der Begräbnisstätten der vorletzten Reihe hockte Caro neben Lukas, der zwischen zwei Grabsteinen lag. Neben ihm ein kleines Loch, gerade frisch gebuddelt, wie die Handschaufel verriet. Juliane verstand nicht, was sie sah und konzentrierte sich auf die Metalldose, die noch in dem flachen Erdloch steckte. Sie war rostig, früher vielleicht einmal goldfarben mit schwarzen Ornamenten und der Zeichnung eines Teeklippers auf dem Klappdeckel. Caro wimmerte immerfort den Namen ihres Mannes, der auf jeden Fall bewusstlos, wenn nicht sogar tot war. Piet war Rettungssanitäter und hatte den Schock schnell genug überwunden, um nach Lukas‘ Puls an der Halsschlagader zu suchen und seinem Freund sanft die ins Leere starrenden Augen zuzudrücken. Dann richtete er seine UV-Lampe auf den Grabstein, einer der wenigen aufrecht stehenden, auf dem sich zwischen Vor- und Nachname ein „T“ grellweiß vom verwitterten Steingrau abhob. Eine Grabschändung, die mit speziellem UV-Lack hinzugefügt worden war. Auf der schlichten Grabplatte stand:

Gottlieb Wermut

Arzt der Neurologie

† 31.10.1883

Stockend, immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt berichtete Caro: „Kurz nachdem wir uns vorhin getrennt hatten, hat Luki über Kopfschmerzen und Heißhunger geklagt und ich habe ihm den Energieriegel gegeben, den mir Juli vorhin gegeben hatte, weil ich glaubte, er sei unterzuckert. Ihr wisst ja, er ist Diabetiker. Das schien tatsächlich geholfen zu haben, er fühlte sich gleich besser und wir suchten getrennt von einander weiter – er hier, ich da unten in der letzten Reihe. Dann hörte ich ein Geräusch, drehte mich zu ihm um und sah … einen, o Mann, das glaubt ihr mir keiner …“, Caro heulte, wie ein getretener Welpe, leise auf, und fuhr schluchzend fort, „einen leuchtenden Geist, anders kann ich es nicht beschreiben, neben Luki. Diese Gestalt hielt eine Tasse in der Hand, an der sie nippte. Sie bot sie Luki an, aber er lehnte kopfschüttelnd ab und setzte sich schwankend auf den Boden. Diese Geistererscheinung zog wie zum Gruß seinen Hut und ging hastig in eure Richtung, runter zum Wald. Ihr müsst ihn doch auch gesehen haben! Dann lief ich zu Luki, der sich hier inzwischen unter Stöhnen und Röcheln krümmte.“ 

Die Szene, die Beschreibung, das alles war so surreal, so unglaublich schaurig, dass Juliane einfach losrannte, rannte, als sei der Teufel hinter ihr her. Nein, nein, nein! Nicht Lukas! Bitte, bitte nicht Lukas! Bloß weg von hier. Das ist ein Albtraum, der blanke Horror! Was geschieht hier? Hyperventilierend blieb sie endlich stehen, stützte die Hände auf die Knie und versuchte, ihre Atmung und ihre Nerven in den Griff zu bekommen. Lukas musste den von ihr präparierten und eigentlich für Caro bestimmten Riegel gegessen haben. War die Wirkung so extrem schnell eingetreten? Aber wer war diese Lichtgestalt? Vielleicht gehörte er zu einer Art Halloween-Inszenierung der Männer, um uns Angst zu machen. Julianes Gedanken überschlugen sich auf der Suche nach Kontrolle und Selbstbeherrschung. Sie musste sich ab jetzt absolut unverdächtig verhalten. Ich gehe zurück und reiße mich zusammen, auch wenn ich den Anblick des toten Vaters unseres ungeborenen Kindes nicht ertragen werde. Mein Lukas, liebe Caro, nicht deiner

Auf dem Rückweg hörte sie das Herannahen der Sirene eines Rettungswagens, den Piet inzwischen angefordert hatte. Nachdem der Notarzt seinen Tod festgestellt hatte, verluden die Sanitäter Lukas und nahmen auch die unter Schock stehende  Caro mit. Sie hatte Piet gebeten, gemeinsam mit Juliane den Camper nach Hause zu fahren. Sie selbst würde nach Erledigung der notwendigen Formalitäten mit dem Zug oder Bus zurückkehren. 

🎃🎃🎃

Es wurde eine qualvolle und stille Heimfahrt. Piet sprach kaum, schüttelte nur immer wieder den Kopf, und wenn er etwas sagte, so sah sich Juliane außerstande zu antworten. Er setzte sie vor ihrem Haus ab, wo sie vor erst sechzehn Stunden mit der wundervollen Vision einer neuen Familie aufgebrochen war. Caro wäre aus dem Weg und Lukas frei für sie und das Kind gewesen. Sie wären aufs Land gezogen, hätten weitere Kinder bekommen und gemeinsam alt geworden. Sie schloss die Haustür leise auf. Es war fast Mitternacht und Carsten schlief hoffentlich. Eine Begegnung würde sie in ihrer momentanen Verfassung unmöglich aushalten. Erst wollte sie in einen hoffentlich langen traumlosen Schlaf flüchten.

Sie vermied es, das Licht anzuschalten, und ging, nachdem sie sich der Wanderstiefel und des Rucksacks entledigt hatte, auf dicken Thermosocken in die Küche. Die Straßenlaterne vor dem Haus tauchte den Raum in zärtliches Gelb. Aber sie war untröstlich. Sie setzte sich an den Tisch, verbarg ihr Gesicht in den Händen und weinte zähe Tränen der Schuld und Trauer. Wie kann ich so weiterleben? Was geschieht jetzt? Sie erschrak, als sich von hinten zwei kühle Hände auf sie legten.

Carsten! Er drückte seine Nase in die Grube zwischen ihrem Hals und der Schulter, küsste die Stelle und flüsterte ihr ins Ohr. „Nicht doch, Juli, ich verzeihe dir. Ich bin für dich da. Lass uns einfach von vorne beginnen. Nur wir drei.“

Sie versteifte sich augenblicklich. Hatte sie ihn richtig verstanden? Zum Teufel … woher weiß …

Sie schnellte hoch, machte Licht und starrte ihren Lebensgefährten ungläubig an. Vor ihr stand der Geist vom Friedhof. Carsten! Gesicht, Anzug, alles komplett mit weiß reflektierender Farbe bemalt. 

„Mach den Mund zu, Liebes, du siehst blöd aus, wenn du versuchst, etwas zu verstehen. Ich helfe dir auf die Sprünge. Die Geister-Scharade war meine Idee und ich habe sie mit Lukas abgesprochen, damit er mitspielt. Er war total begeistert von dem Streich, als wir beide vorigen Monat den Ausflug geplant und den Cache getestet hatten. Ich habe den Kranken gemimt, bin euch anschließend hinterhergefahren und war natürlich wegen der Höhlenbesichtigung vor euch im Wald am Friedhof. Und natürlich wusste ich von eurem Techtelmechtel und sogar von eurem Nachwuchs. Glückwunsch, Juli! Wann wolltest du es mir erzählen? Über die Reaktion hättest du dich wahrscheinlich gewundert, denn ich bin zeugungsunfähig.“ Er lachte gemein.

Juliane gewann allmählich ihre Fassung zurück. „Du? Hast du Lukas umgebracht?“

Carsten lachte diabolisch. „Das hatte ich tatsächlich vor, Liebes. Aber noch während unseres Schauspiels auf dem Friedhof, hatte Lukas plötzlich einen Schwächeanfall und ich musste improvisieren. Erst auf der Heimfahrt – ich musste schließlich wieder vor euch zuhause sein – fielen die Steinchen an die richtige Position. Du wolltest unseren Halloween-Ausflug ebenfalls nutzen, aber um Caro zu beseitigen, stimmt´s? Wolltest du vielleicht deine speziellen Kenntnisse der Biochemie anwenden und irgendetwas ist schiefgegangen?“ Diesmal lag Häme in seinem Gelächter. „Egal. Solange wir schweigen, wird niemandem etwas geschehen. Ich vermute, deine besondere Zutat ist nicht nachweisbar? Ist es Rizin? Botox? Nein, dann vielleicht Batrachotoxin? Es wird vermutlich überhaupt keinen hinreichenden Verdacht geben, um eine gerichtsmedizinische Untersuchung zu rechtfertigen. Wir werden unseren Freund würdig beerdigen und betrauern und Caro in ihrer schweren Zeit beistehen. Das tun Freunde für einander.“

Juliane nickte schwach und ließ sich widerwillig von Carsten in dem Arm nehmen. „Du musst total erschöpft sein, Juli, ich gehe schon mal hoch, dusche und lasse die farbversauten Sachen verschwinden. Kommst du?“

„Geh schon vor“, sagte Juliane, „ich mache mir noch rasch einen Melissentee, damit ich einschlafen kann. Während sie das Wasser aufkochte, hörte sie in den Rohren das Wasser der Dusche rauschen. Sie nahm zwei Becher aus dem Hängeschrank und zwei Tassensiebe. Beide befüllte sie mit losem Tee aus einer Dose mit der Aufschrift „Gute-Nacht-Tee“ und übergoss sie mit dem heißen Wasser. Nach der Ziehzeit stellte sie die Becher auf ein Tablett, zusammen mit einem Löffelchen und einem Schälchen Zucker, und brachte es ins Schlafzimmer. Sie entkleidete sich und zog sich ihr Schlafshirt über, als Carsten aus dem Bad kam.

„Ich habe dir auch einen gemacht“, sagte sie kühl, während sie ihm einen Becher hinhielt. Zucker musst du selbst dosieren. 

„Du nimmst es mir nicht krumm, wenn ich dich bitte, mir deinen Becher zu geben?“, sagte er mit einem süffisanten Grinsen. Juliane riss sich zusammen, denn am liebsten hätte sie ihm als Antwort ein paar gescheuert! „Hast du Angst vor mir?“, sagte sie.

„I wo. Ich war aber stets der Überzeugung, dass ich dich nicht zum Feind haben möchte.“ Carsten nahm Julianes Becher, fügte ihm noch eineinhalb Löffel Zucker hinzu, pustete und schlürfte geräuschvoll die Tasse leer. Juliane hatte ihren Becher nur halb geleert und war, kaum dass Carsten eingenickt war, wieder in die Küche gegangen, wo sie sämtliche Tee- und Zuckerreste entsorgte und das Geschirr sorgfältig spülte. 

Sie konnte seine Gegenwart nicht länger ertragen. Und noch weniger wollte sie ihm beim Sterben zusehen. 


* Was ist Geocaching:

Geocaching ist eine Schnitzeljagd oder Schatzsuche, bei der es gilt, einen Cache, also einen „Schatz-Behälter“ zu finden, der neben anderen Dingen das Logbuch enthält, in das sich der Finder eintragen kann. Die Suche erfolgt via GPS-Koordinaten und hat verschiedene Optionen, bzgl. des Themas, der Schwierigkeit, Art oder Größe. Die Koordinaten, Tipps dazu und Beschreibungen finden Geocacher auf speziellen Internetseiten. Ein Multi ist ein Schatz mit mehreren Stationen, die nacheinander zur Lösung und dem Auffinden des Final, also des eigentlichen Schatzes führen.

Die in der Geschichte erwähnten Orte und Harzer Sehenswürdigkeiten existieren tatsächlich. Mit einer Ausnahme, denn das alte Herrenhaus mit seiner Park-, Garten- und Friedhofsanlage und den dazugehörigen Koordinaten entspringt genauso meiner Fantasie, wie auch der „irre Arzt“ Gottlieb Wermut. Etwaige Ähnlichkeiten mir real existierenden Personen und Namen sind somit rein zufällig.

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© Inhalt urheberrechtlich geschützt – H. M. Kaufmann 31.10.2023

Von Verfasserin verfremdete Titel-Collage unter Verwendung von Bildern von Syaibatulhamdi und 12019 auf Pixabay – vielen Dank!